1781 – 1831 29.
Januar 1814
Auch dich hat uns die Pest der
Zeit entrissen,
Dich mutigsten Bestreiter
schlechter Zeit,
Du hattest dich als Opfer ihr
geweiht,
Als du ihr strafend riefest
ins Gewissen.
Es war die Welt von Zweifeln
lang zerrissen,
Du sahst den Abgrund, wie er
tief und weit,
Doch wie der Römer warst du
kühn bereit,
Ihn zu verschließen nach dem
besten Wissen:
Du warfest dich hinein, um ihn
zu füllen,
Du sprachst zu Deutschen, als
die andern schwiegen,
Du riefst uns aus der Schmach
zu neuen Siegen.
„Bekämpft die Zeit in euch mit
heil’gem Willen!“
So riefest du. – Den Bogen
spannt im stillen
die tück’sche Zeit – auch du
mußt ihr erliegen!
1781 – 1831
Mein Genius, du hast mir viel
verliehen,
Du kannst, was nie geahndet,
mir erschließen,
Wenn deine Blicke flüchtig
mich begrüßen,
Durch dich gedeiht mir
jegliches Bemühen.
O könnt’ ich dich mit meinem
Arm umschließen,
Daß du dich nimmer könntest
mir entziehen,
Daß meine Wangen nie von Scham
erglühen,
Verläßt mich Witz, wo andrer
Witze fließen.
Schaff mich gewiß und fest in
allen Kräften,
Daß sie dem Augenblicke willig
dienen,
So bin ich tüchtig jeglichen
Geschäften.
Gleich fern von Furcht und
Frechheit in den Mienen,
Laß mich die Blicke frei auf
andre heften,
Und aller Neid soll schwinden
im Erkühnen.
1781 – 1831
Der Reime schwer zu reimend
Bienensummen,
Der Jamben schwerer dumpfer
Wellenschlag,
Was der Trident des Dactylus
vermag,
Das brachte mich im Dichten
zum Verstummen.
Da war’s als fühlt’ ich eines
Gottes Schlag
Mir in die Ohren neubelehrend
brummen:
„Für immer sollt’ der hohe
Baum verkrummen,
Daß leicht du pflückst die
Frucht an einem Tag?
Fühl erst unbänd’ge Freud und
bänd’ge Klagen,
Wie gern wirst du sie messen
nach den Saiten,
Wie leicht wird’s nun sie
drauf hochtanzend schreiten.
Laß Reime ihnen goldne
Schwingen breiten,
Im Gleichgewicht die
Schwebenden zu tragen,
Weil schön sie sind und wie
die Schönen zagen.“
1781 – 1831
Ich hab gefunden, was ich
niemals glaubte,
Ein Mädchen das ganz ohne
Wisse liebte,
Die sich um mich so heimlich
oft betrübte,
Gleich heirat ich, daß nichts
sie wieder raubte.
Die suchte ich in jeglicher
Geliebte,
Und höher sich mein Sinn für
Schraubte,
Hier schling ich an, wo ich so
dicht belaubte,
Die Ranken mein der Lieb und
Lustgeübte.
Auf manche Probe werde ich sie
stellen,
Und selber sie zu lieben muß
ich lernen,
Ich werde oft so grimmig sie
anbellen.
Und dann gleichgültig mich von
ihr entfernen,
Ich habe Übersicht von tausend
Fällen,
Und will sie mir auf tausend
Arten kornen.
1781 – 1831
Wer sich der Welt, der
eitlelen, entziehet,
Und sich selbst zum neuen
schönern Leben
Der ewigen Natur dahingegeben,
Mit heiterm, freien Blick der
Stadt entfliehet;
Nur ihn wird hold Begeisterung
erheben,
Nur ihn des Frühlings
Lustgesang umziehet,
Nur er in Himmelsbläue Geister
siehet,
Um ihn im Blütendufte Geister
schweben.
Im engen Kreise findet er die
Welt,
Der ew’ge Gärtner hat sie
hingedrängt:
Von Bergen glänzt der Schnee,
im Tal das Grün,
Das Abendrot den dunklen Wald
erhellt,
Mit blendend schönem Blicke
ihn umfängt,
Die Ewigkeit im roten Licht
erschien.
1781 – 1831 im
Herbste 1810
Die Tage werden kurz, die
Nächte lang,
Die kranke Erd’ erträgt nicht
mehr die Lust,
Da flammt der Baum im Herbst,
sich unbewußt
Mit rotem Blatt – uns ward vom
Wunder bang!
Weil dunkle Zeit mit diesem
Glanze rang,
So kreist der Saft in sich,
wird sich bewußt,
Sein neues Licht verengt ihm
Herz und Brust,
Er schaut’s im Strom, der ihn
dann bald verschlang.
Er schaut, wie durch der
Blätter Farbentor
Der Regenstrom des Herbstes
siegend zieht
Und seufzet mit in seinem
Todeschor:
„Wer sich erkannt, der hat
hier ausgeblüht,
Lebt einst in Früchten, die er
jetzt verlor;
Einst lebt die Kunst, die euch
mein Tod erriet.“
1781 – 1831
Das Jagdhorn schallt, es
blinkt der Wald von Rossen,
Und wer es hört, den zieht es
mit im Zuge,
Die Bienen folgen so der
Königin im Fluge,
So folgen auch der Kunst die
Kunstgenossen.
Wo Frühling schien im bunten
Vögelzuge,
Viel bunte Blumen scheinen
gleich entsprossen,
Wo er die Welt hat klingen
angestoßen,
Da beben an die Wesen zu der
Fuge.
O Frühlingsschein, du Kunst
mir fern und nahe,
Im Herzen glüht es mir, dir
unterm Herzen,
In dir ich mich und alle Welt
umfahe.
Was du geboren mir in hohen
Scherzen
Wird fremd, wenn ichs in
deinem Arm nicht sahe,
Da mag ich gern auch fremde
Kinder herzen!